Freundschaftsbruchstellen

von kittyka

Inhaltsangabe und sonstige Infos findet ihr hier: *klick*

Ruth Johanna Benrath hat einen Literaturpreis verdient. Und zwar nicht viele kleine, die sich Stipendien nennen und gerade mal so die nötigsten finanziellen Löcher stopfen, sondern einen großen, einen wichtigen, einen ernsthaften, der es schafft, sie selbst und ihre beiden Romane richtig, richtig bekannt zu machen. Der Frau Ava Literaturpreis war da schon mal ein guter Anfang, reicht meiner Meinung nach aber noch längst nicht aus. Und das meine ich jetzt vollkommen ernst und nicke dabei auch noch bedächtig.

Warum aber sehe ich mich nach der Lektüre von „Wimpern aus Gras“ dazu genötigt, in eine derartige Schwärmerei zu verfallen? Begründungsversuche:

1. Die Sprache. Leicht, schwebend und doch auf den Punkt und ungeheuer eindringlich kommt die Sprache daher. Von der Stilistik manchmal etwas launisch, verspielt und surreal. Doch selbst die übermütigsten Wortwanderungen auf Gedankenabwegen dienen der Atmosphäre und den Figuren. Pure Poesie, immer mal wieder dazwischengeschoben, sorgt dafür, dass ich das, was da erzählt wird, auf einer Metaebene begreifen kann. Fühlen auch, ist klar. Aber es ist dann doch eher so was wie ein Gemütsecho, was die Sprache in mir auszulösen vermag.

2. Die Geschichte. Was ist geschehen? Wie konnte das nur passieren? Fragen, die nicht nur ich mir stelle (noch immer), sondern die auch in Renas Kopf herumspuken. In Reikos Hirn bestimmt auch, aber der zählt nicht. Der ist für den Rahmen der Geschichte wichtig, aber nicht für deren Innenleben. Den Kern bilden Anna und Rena. Vielleicht auch nur Rena. Obwohl … ohne Anna gäbe es keinen Kern. Also doch beide. Diese Verdachtsmomente mit den dazugehörigen Spekulationen, haben mich fast um den Verstand gebracht. Ich wollte unbedingt wissen, was mit Anna geschehen ist. Und warum. Zugleich habe ich aber auch jeden einzelnen Schlenker in die Vergangenheit und in die Parallelität genossen. Was für ein wunderbarer Handlungsaufbau aus lauter Erfahrungssplitter, die sich mal spielerisch, mal ernsthaft jagen und gegenseitig ergänzen.

3. Die Themen. Sich finden, sich verlieren, befreunden, entfreunden. Was macht eine Freundschaft aus? Wie kann sie in die Brüche gehen, wenn niemand etwas wirklich Gravierendes gemacht hat? (Oder anders: Wie kommt es, dass sich selbst die besten Freunde wegen einer Kleinigkeit derart voneinander entfernen können?) Und was ist überhaupt eine Kleinigkeit? Da gibt es keine generelle Maßeinheit. Dann noch die Liebe und deren Sumpf, in dem man versinken kann, wenn man vor lauter Gefühl nicht auf sich selbst aufpasst und dann schwupsdiwups im Partner aufgeht und sich selbst verliert. Konsequente Selbstauslöschung. Hier in Perfektion auf die Spitze getrieben. Was bleibt, ist das große Unverständnis, wenn man gerade einer zwischenmenschlichen Reibung entkommen ist. Leere. Irritation.

Ja, das hier ist mehr Brainstorming als Leseeindruck. Es geht aber nicht anders, denn Gedanken und Gefühle liefern sich in meinen Synapsen immer noch Verfolgungsrennen. Dieser Roman hat etwas tief in mir drin sehr nachhaltig zum Schwingen gebracht mit seinen Szenensplittern. Literatur also, wie sie sein sollte. Lesen! Lesen! Lesen! Oder verpassen und ohne Schwingung leben. Selbst Schuld dann.