Kitty Kas Bücherlupe

Leseeindrücke. Kurz und knackig

Sterben müssen wir alle mal

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Mh. Und noch einmal: mmmhhh. Mag ja sein, dass viele, viele Menschen von Peter Hennings Erstling begeistert sind – darunter auch der von mir hochverehrte Paul Nizon, der hier das Nachwort quasi lobeshymnisch verfasst hat, aber mich hat „Tod eines Eisvogels“ total kalt gelassen. Anfangs fand ich das tote Meerschweinchen (oder war es ein Hamster? Das habe ich doch glatt schon vergessen, obwohl die Lektüre erst ein paar Stunden her ist.) höchst amüsant. Um das geht es in der Geschichte nur leider nicht, sondern um den faden Ich-Erzähler und seine fade Schwester, die trotz seelischer und körperlicher Leiden und eines herben Schicksals am Schluss auch nicht wirklich viel hergibt.

Aber vor allem konnte ich dem Schreibstil hier nichts abgewinnen. Nüchternheit und detaillierte Beschreibungen können mich oft faszinieren. Hier jedoch nicht, weil ich keine Spannung zwischen den Sätzen spüren konnte. Und dann erst diese Satzanfänge mit diversen Verben! Ich mag das nicht! Das gehört in die Werbebranche und nicht in ein Stückchen Literatur.

Nee, nee, nee. Das war nichts für mich. Ich möchte irgendetwas fühlen können. Nicht einfach nur wahrnehmen. Irgendwann werde ich Peter Henning nochmal eine Chance geben. Vielleicht war es einfach nur der falsche Zeitpunkt. Große Hoffnungen mache ich mir aber nicht, wenn ich ehrlich bin.

Freundschaftsbruchstellen

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Ruth Johanna Benrath hat einen Literaturpreis verdient. Und zwar nicht viele kleine, die sich Stipendien nennen und gerade mal so die nötigsten finanziellen Löcher stopfen, sondern einen großen, einen wichtigen, einen ernsthaften, der es schafft, sie selbst und ihre beiden Romane richtig, richtig bekannt zu machen. Der Frau Ava Literaturpreis war da schon mal ein guter Anfang, reicht meiner Meinung nach aber noch längst nicht aus. Und das meine ich jetzt vollkommen ernst und nicke dabei auch noch bedächtig.

Warum aber sehe ich mich nach der Lektüre von „Wimpern aus Gras“ dazu genötigt, in eine derartige Schwärmerei zu verfallen? Begründungsversuche:

1. Die Sprache. Leicht, schwebend und doch auf den Punkt und ungeheuer eindringlich kommt die Sprache daher. Von der Stilistik manchmal etwas launisch, verspielt und surreal. Doch selbst die übermütigsten Wortwanderungen auf Gedankenabwegen dienen der Atmosphäre und den Figuren. Pure Poesie, immer mal wieder dazwischengeschoben, sorgt dafür, dass ich das, was da erzählt wird, auf einer Metaebene begreifen kann. Fühlen auch, ist klar. Aber es ist dann doch eher so was wie ein Gemütsecho, was die Sprache in mir auszulösen vermag.

2. Die Geschichte. Was ist geschehen? Wie konnte das nur passieren? Fragen, die nicht nur ich mir stelle (noch immer), sondern die auch in Renas Kopf herumspuken. In Reikos Hirn bestimmt auch, aber der zählt nicht. Der ist für den Rahmen der Geschichte wichtig, aber nicht für deren Innenleben. Den Kern bilden Anna und Rena. Vielleicht auch nur Rena. Obwohl … ohne Anna gäbe es keinen Kern. Also doch beide. Diese Verdachtsmomente mit den dazugehörigen Spekulationen, haben mich fast um den Verstand gebracht. Ich wollte unbedingt wissen, was mit Anna geschehen ist. Und warum. Zugleich habe ich aber auch jeden einzelnen Schlenker in die Vergangenheit und in die Parallelität genossen. Was für ein wunderbarer Handlungsaufbau aus lauter Erfahrungssplitter, die sich mal spielerisch, mal ernsthaft jagen und gegenseitig ergänzen.

3. Die Themen. Sich finden, sich verlieren, befreunden, entfreunden. Was macht eine Freundschaft aus? Wie kann sie in die Brüche gehen, wenn niemand etwas wirklich Gravierendes gemacht hat? (Oder anders: Wie kommt es, dass sich selbst die besten Freunde wegen einer Kleinigkeit derart voneinander entfernen können?) Und was ist überhaupt eine Kleinigkeit? Da gibt es keine generelle Maßeinheit. Dann noch die Liebe und deren Sumpf, in dem man versinken kann, wenn man vor lauter Gefühl nicht auf sich selbst aufpasst und dann schwupsdiwups im Partner aufgeht und sich selbst verliert. Konsequente Selbstauslöschung. Hier in Perfektion auf die Spitze getrieben. Was bleibt, ist das große Unverständnis, wenn man gerade einer zwischenmenschlichen Reibung entkommen ist. Leere. Irritation.

Ja, das hier ist mehr Brainstorming als Leseeindruck. Es geht aber nicht anders, denn Gedanken und Gefühle liefern sich in meinen Synapsen immer noch Verfolgungsrennen. Dieser Roman hat etwas tief in mir drin sehr nachhaltig zum Schwingen gebracht mit seinen Szenensplittern. Literatur also, wie sie sein sollte. Lesen! Lesen! Lesen! Oder verpassen und ohne Schwingung leben. Selbst Schuld dann.

Französische Lebensschläge

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Olivier Adam macht am Anfang lediglich Andeutungen. Mehr hat er nicht nötig, um den Leser in den Bann der Geschichte zu ziehen, denn er ist ein Meister der Beschreibung und der emotionalen Innenansichten. Ohne dass ich wusste, warum Paul seit drei Jahren alleinerziehender Vater ist, warum er jetzt von Paris an die raue Küste zieht, warum er sich mit dem Leben so schwer tut und doch so tapfer ist, konnte ich mich ihm von der ersten Seite an nahe fühlen. Adam hat mich ganz dicht an seinen Protagonisten herangelassen. Ich durfte ihn berühren, ich durfte an ihm riechen, ja, ich hatte sogar einen salzigen Meeresgeschmack im Mund.

Dass ich erst nach und nach erfahren habe, was mit Sarah passiert ist (und ich mir das vorher eigentlich auch schon so gedacht habe), ist nicht wirklich relevant. Schließlich ist das nur der Aufhänger für die Geschichte – nicht ihre Triebfeder. Die liegt im Zwischenmenschlichen. Und in Pauls Suche nach Normalität. Am Ende bietet der Roman vielleicht keine Lösung, aber immerhin ein paar neue Perspektiven. Literarisches Leben, wie ich es nur zu gerne lese.

Locker. Luftig. Lila.

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Ja, ein Regionalkrimi. Also eigentlich mal gar nicht so meins. Doch ich muss zugeben, dass trotz aller Banalitäten und Oberflächlichkeiten, von denen auch „Hämatom“ reichlich anzubieten hat, dieser Krimireihenauftakt von Lucie Flebbe durchaus einigen Charme besitzt. Und wem verdankt die Reihe das? Nicht der Stadt Essen. So viel ist klar. Denn der Handlungsort könnte beliebig ausgetauscht werden (so viel also zum Lokalkolorit – wird eh immer überschätzt). Nein, es ist Lila, die Protagonistin, die die Geschichte letztlich rettet.

Der Krimi an sich ist total konventionell, vorhersehbar und dementsprechend ein wenig langweilig. Aber Lila rettet ihn, weil sie so schön unkonventionell und ehrlich und schroff und mutig und zwanghaft und einfach ein wunderbares Menschlein ist. Ob eine tolle Protagonistin allein aber reicht, um eine Krimireihe zu tragen, wage ich zu bezweifeln. Ein wenig Spannung muss schließlich auch sein. Als kleine Unterhaltung zwischendurch war der erste Band recht amüsant und kurzweilig. Vielleicht werde ich auch weitere Bände lesen, aber dringend ist es nicht.

Auf der Mauer, auf der Lauer …

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Sein Vorname: Benvolio Olivio Julio Toto Meo Ho. Sein Nachname: Schmitt. Zusammen ergibt das zum einen ziemlich viele Os, zum anderen einen wirklich sehr erstaunlichen Romanhelden, der in Folge der Handlung seine Namen wie eine Zwiebel nach Kinderliedtechnik häutet, wobei er aber immer den ersten Namen nach jeder Episode weglässt und nicht den jeweils letzten Wanzen-Buchstaben. Ein verquerer Satz? Nun, es ist ja auch ein verqueres Buch, das da in mein Gemüt geflutscht ist.

Eigentlich weiß ich gar nicht so richtig, was die Annika Scheffel da genau geschrieben. Ein Märchen, so viel ist klar. Aber eben nicht nur. Surreal bildet sie das Stinknormale ab, macht aus Alltäglichkeiten Besonderheiten, die manchmal sogar Absonderlichkeiten sind. Ständig wird da überhöht und überzogen. Das könnte auf Dauer recht anstrengend sein, wenn, ja wenn nicht eben jede Episode, jede Momentaufnahme im Leben von Benvolio Olivio Julio Toto Meo Ho Schmitt einen ganz normalen Kern voll banaler Wahrheit in sich tragen würde. Also von wegen Wolkenkuckucksheimroman oder so. Das ist alles nur Fassade. Im Inneren, da geht es zur Sache. Da herrschen Glaube, Liebe, Hoffnung, Angst und pure Verzweiflung. Da wird gegen innere und äußere Drachen gekämpft. Da geht es also mächtig ab. Im Großen und im Kleinen.

Märchenhaft? Nicht immer. Zauberhaft? Auf jeden Fall! Endlich mal wieder ein Roman, der es schafft, dass ich mich kopfüber aufhänge und wild mit meinen Beinen in der Luft zapple – und dabei eine Menge Spaß habe, obwohl ich noch immer nicht weiß, wo jetzt eigentlich oben und wo unten ist.

Unendlich hart und unendlich schön

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Wow! Was für ein Roman! Es ist mir noch nie passiert, dass ich direkt vom ersten Wort an total begeistert war. In diesem Fall war es ein „Und“. Ich mag das „Und“ an sich sehr gerne. Es hat so etwas Beiläufiges, in dem man viel Tiefgang verstecken kann. Wenn man damit einen Satz beginnt, kann man spielen. Wenn man damit aber einen Roman beginnt, so wie es Marie NDiaye getan hat, kann man Großes erwarten. Das habe ich auch. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Da wäre zum einen die Geschichte an sich. Oder besser: die Geschichten. Denn irgendwie gehören die drei Frauen zwar zusammen, stehen aber einzeln in jeweils schrecklichen Leben, die sie eigentlich umhauen müssten, weil sie so abgründig und brutal sind. Das tun sie aber nicht. Der Titel ist also Programm. Ganz ehrlich? So eine innere Tragik, Grausamkeit und Dichte bekommt selbst der beste Psychothriller nicht hin. Jedenfalls fällt mir spontan keiner ein.

Und dann erst die Sprache! Marie NDiaye verwendet Wortwindungen, wie sie auch bei Zeruya Shalev vorkommen. Allerdings nicht in deren Kaskadentechnik, sondern eher wie eine sehr präzise Tätowiernadel. Worte, die tief unter die Haut gehen und dort etwas verbergen. Obwohl NDiaye unglaublich präzise und sehr detailliert formuliert, ist unter dem eigentlichen Wort immer noch etwas verborgen. Mindestens ein Gefühl, manchmal noch eine weitere Geschichte. Diese Doppelbödigkeit macht den Roman so groß und stark, dass ich fast schon ein wenig Ehrfurcht habe.

Jesus, reich mir mal den Joint!

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Zugegeben, wenn ich religiös oder gläubig wäre, hätte ich mit diesem Roman wahrscheinlich meine Probleme gehabt. Aber ich bin nun mal Atheistin. Deswegen konnte ich darüber lachen, dass Gott und Jesus zusammen kiffen und es im Himmel generell sehr locker zugeht. Da wurde mir die Meute da oben doch echt sympathisch.

Aber John Niven beleidigt nicht. Jedenfalls nicht nur. Er beschäftigt sich nämlich mit einer sehr interessanten Frage: Was wäre, wenn Jesus noch einmal auf die Erde kommen müsste, um uns zu erlösen? Nun, das Ergebnis kann man in „Gott bewahre“ nachlesen. Niven nimmt sich dabei vor allem die bigotten Moralvorstellungen und den Entertainment-Wahn in den Vereinigten Staaten zur Brust. Er spart weder mit schwarzem Humor noch mit eindeutiger Gesellschafts- und Politikkritik. Einerseits konnten so meine Gehirnzellen einen Freudentanz aufführen, während andererseits meine Lachmuskeln gnadenlos herausgefordert wurden. Ich schwöre euch: ich musste auf jeder Seite mindestens einmal laut lachen. Ein wirklich himmlischer Lesespaß, wobei ich nicht weiß, ob das auch für streng gläubige Menschen zutreffen mag.

Ein idealer Träumer

© Nagel & Kimche

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Eigentlich dürfte ich den Roman gar nicht mögen. Geschichten, die zwischen Traum und Wirklichkeit einfach so grenzenlos pendeln, lassen mich eigentlich frustriert zurück. Was ist denn was?

Außerdem reagiere ich extremst allergisch auf das Weglassen von Anführungszeichen bei wörtlicher Rede. Billiger Kniff. Hier aber nicht. Nö, hier macht das gerade den Reiz aus. Die Sätze sind kristallklar und präzise und doch wunderschön weich und poetisch. Jeder Charakter hat seine eigenen Nuancen. Diese Nuancen brauchen gar keine Anführungsstriche, damit man die Personen auseinanderhalten kann.

Mich hat diese zauberhaft schwebende Liebesgeschichte also schon von der ersten Seite an in ihren Bann gezogen. Es sind die leisen Töne, die ein mächtig lautes Echo im Gemüt hinterlassen, die mich so fasziniert haben. Ein stilles Buch, das viel zu sagen hat. Doch Vorsicht! Ein paar Flüstereien hätte ich fast nicht mitbekommen, weil meine eigenen Gedanken gerade laut waren. Dieses Buch braucht also Muße.

Sex ist kein Qualitätsmerkmal

© Vintage Books

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Hallo?!?! Eine 21-jährige Jungfrau, die beim ersten Oralverkehr ihres Lebens gleich weiß, wie sie den Kerl total befriedigen kann, weil sie sich seinen Schwanz bis zum Anschlag in den Hals schiebt. Noch billiger geht es ja wohl kaum!

Aber dass dieser „Twilight“-Abklatsch für Erwachsene nichts für mich ist, habe ich schon auf den ersten Seiten feststellen können. Wenn die Redakteurin der Uni-Zeitung wegen Krankheit einen wichtigen Interviewtermin nicht wahrnehmen kann, dann schickt sie einen Kollegen und nicht ihre Zimmernachbarin zu dem Treffen.

Ich habe schon lange nichts mehr gelesen, dass derart unrealistisch und dann auch noch so extrem schlecht geschrieben ist. Ich dachte immer, dass Schriftsteller einen großen Wortschatz haben. Davon habe ich hier nichts gemerkt. Gruselig, dieses Buch. Noch gruseliger, dass es seinen Erfolgsmarsch jetzt auch in Deutschland antritt.